Staatshaftung bei Altanschließern
Mächtige Welle von Altanschließer Forderungen nach Schadensersatz
Altanschließer in Brandenburg: Zehntausende Anträge nach Staatshaftungsgesetz. VDGN rechnet mit bis zu 300 Millionen Euro, die von Zweckverbänden zu zahlen sind
Auf Zweckverbände in Brandenburg, die Altanschließerbeiträge erhoben haben, rollt eine mächtige Welle von Schadensersatzforderungen zu. Sie kann die Höhe von 300 Millionen Euro erreichen. Das teilte der Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Peter Ohm, am Donnerstag (15. Dezember 2016) auf einer Pressekonferenz in Potsdam mit.
Nach Einschätzung des VDGN hat ein Großteil der Grundstückseigentümer, die einen oder mehrere der über 200.000 Bescheide für Altanschlüsse beim Trinkwasser oder beim Abwasser bekommen haben, Schadensersatz nach dem in Brandenburg weiter gültigen Staatshaftungsgesetz der DDR geltend gemacht. Dabei handelt es sich überwiegend um die sogenannten bestandskräftigen Bescheide. Anders als bei Bescheiden, die noch nicht bestandskräftig sind, weil ein Widerspruchs oder Gerichtsverfahren noch läuft, gibt es in diesen Fällen keinen unmittelbaren Rückerstattungsanspruch.
Bestandskräftig geworden sind in den einzelnen Zweckverbänden ca. 90 Prozent der Bescheide. Die meisten Betroffenen hatten zwar Widerspruch eingelegt, doch der wurde in der Regel abgelehnt. Eine Einzelklage vor dem Verwaltungsgericht konnte sich kaum jemand der Betroffenen leisten, und gemeinsam finanzierte Musterverfahren wurden ihnen verweigert. Jetzt Schadensersatz geltend zu machen, sichert Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz. Das sollte bis 16. Dezember 2016 geschehen, denn die Frist dafür endet am 17. Dezember.
Peter Ohm: “Der Andrang auf unsere Angebote dazu ist enorm. Allein zu einer Veranstaltung in Wildau kamen kürzlich rund 1.300 Betroffene. Weit über 500 Mitglieder haben ihre Ansprüche auf Staatshaftung an den MAWV (Königs Wusterhausen) über VDGN-Vertrauensanwalt Lutz Schallschmidt geltend gemacht. Ein Musterschreiben des VDGN zur Staatshaftung wurde seit Dezemberbeginn von rund 9500 Interessenten angefordert. Viele der Betroffenen schicken mehrere Schadensersatzforderungen ab, weil sie sowohl für den Trinkwasser- wie den Abwasseranschluß bezahlen mußten. Zudem befassen sich außer uns auch andere Verbände und Vereinigungen mit dem Thema, so daß von Zehntausenden Forderungen auszugehen ist. Haben diese Erfolg, werden neben der reinen Rückzahlung der Beiträge auch noch rund 5 Prozent Zinsen und die Erstattung von Anwaltskosten fällig.”
Der VDGN sieht in der vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestuften Erhebung von Altanschließerbeiträgen in Brandenburg einen in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Fall zehntausendfachen rechtswidrigen Handelns der öffentlichen Hand. Peter Ohm: “Das Land Brandenburg hätte daraus die Konsequenzen ziehen müssen. Hätte die Landesregierung das gewollt, wäre die Rückzahlung an alle Altanschließer längst eingeleitet worden. Doch das SPD-LINKEN-Kabinett spielt seit einem Jahr auf Zeit und läßt die Altanschließer wie die Zweckverbände hängen. Jeder Zweckverband sucht seinen eigenen Weg. Und am Ende wird das Ganze viel teurer als nötig – mit enormem Schaden für den Rechtsfrieden und den sozialen Frieden.
Die Betroffenen jedenfalls können nun gar nicht anders, als fristgerecht ihre Schadensersatzforderungen einzureichen. Denn selbst in Zweckverbänden, die jetzt eine Rückzahlung bei bestandskräftigen Bescheiden versprechen, gibt es keine Garantie, daß dies auch wirklich geschieht. Wird bei der Staatshaftung aber der Termin 17. Dezember verpaßt, sind die Ansprüche auf Schadensersatz verjährt.”
Der VDGN ist optimistisch, dass die Schadensersatzforderungen erfolgreich sein werden. Dazu Peter Ohm: “Das in Brandenburg gültige DDR-Staatshaftungsgesetz trifft in Geist und Buchstaben voll auf die Schäden zu, die den Altanschließern in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt worden sind. Ja, es ist kaum eine andere Konstellation vorstellbar, in der das Staatshaftungsgesetz so klar anwendbar wäre. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht als höchste rechtliche Instanz in Deutschland die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung bei den Altanschließern in Brandenburg festgestellt. Und diese Entscheidung kam nur für jene Leute in Legislative, Exekutive und Judikative vollkommen überraschend, die sich in ihrer eigenen Vorstellungswelt eingesponnen hatten. Der VDGN und andere Vertreter der Betroffenen hingegen haben schon seit vielen Jahren darauf hingewiesen, daß die Altanschließerbeiträge das rechtsstaatliche Prinzip des Vertrauensschutzes verletzten und damit nur grundgesetzwidrig sein können.”
Wie reagieren die Zweckverbände?
Eine Reihe von kommunalen Aufgabenträgern hat ungeachtet der Hinhaltetaktik der Regierungskoalition bereits weitreichende Entscheidungen getroffen. So haben zwölf Verbände die Rückzahlung aller jemals gezahlten Beiträge und die Umstellung auf ein Gebührensystem bzw. die Rückerstattung aller Altanschließerbeiträge beschlossen. Weitere Verbände prüfen ernsthaft die Umstellung auf ein Gebührensystem. Andere Verbände wollen oder können einen solchen Schritt ohne Unterstützung des Landes nicht gehen, doch der Druck auf sie wird nach Einschätzung des VDGN weiter zunehmen.
Quelle: Pressemitteilung des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN)