Projekt Stadthalle Finsterwalde vorerst gestoppt
Nachdem die Baugenehmigung für die Stadthalle Finsterwalde am 17. Mai 2018 erteilt wurde, sind nunmehr vom Architekturbüro Habermann die Baukosten für die geplante Stadthalle, die in einem Bürgerentscheid im November 2016 mit einer Zweidrittelmehrheit die Zustimmung der Finsterwalderinnen und Finsterwalder gefunden hatte, überarbeitet und in der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt worden.
Stadthalle Finsterwalde: gestiegene Baupreise und neue Bauvorschriften erhöhen die Kosten – Projekt vorerst gestoppt
Bisher war man von Kosten in Höhe von 11,7 Mio. Euro ausgegangen. Von 2016 bis 2018 seien die Baukosten um 22,6 % gestiegen und auch in der Genehmigungspraxis habe es seit 2016 wesentliche Änderungen gegeben. Die neuen Vorschriften hätten erheblichen Einfluss auf die Landesbauordnung, dem müsse man selbstverständlich Rechnung tragen, damit die Baugenehmigung überhaupt erhalten werden könne, führte Jürgen Habermann aus. Er bedauere, dass er in der Stadtverordnetenversammlung ein Jahr zuvor auf die Frage nach einer Baukostenerhöhung in Folge der Erhöhung des Bauvolumens geantwortet habe, dass es noch keine Mehrkosten gebe. “Herr Gampe wies mich bei der Vorlage der neuen Kostenberechnung in der vorigen Woche darauf hin, dass zumindest die Erhöhung der Kosten aus dem Bauvolumen bereits vor einem Jahr hätten erkennbar sein müssen. Dem ist nicht zu widersprechen”, entschuldigte sich der Architekt bei den Stadtverordneten: “Es tut mir leid, dass ich Ihnen diesen Zusammenhang nicht dargestellt habe.”
Die im September 2017 eingereichte Baugenehmigung wurde acht Monate lang geprüft und die Genehmigung am 17. Mai 2018 schließlich durch das Bauordnungsamt erteilt. “Bereits im Januar 2018 haben wir mit der Ausführungsplanung begonnen, um bei Erteilung der Baugenehmigung möglichst schnell starten zu können und so weitere Baukostensteigerungen zu vermeiden”, so Jürgen Habermann weiter. In die neue Kalkulation wurde zunächst die ganze technische Bandbreite aufgenommen, sodass alle modernen Umsetzungsmöglichkeiten geprüft werden können. Daraus ergeben sich Kosten in Höhe von 19,03 Mio. Euro. “Die Berechnung vom 12. Juni 2018 spiegelt die maximale Ausstattung wieder. Uns ist natürlich klar, dass die Umsetzung wirtschaftlich darstellbar bleiben muss, weswegen wir verschiedene Einsparungen in eine weitere Rechnung integriert haben.” Beispielsweise ist ursprünglich geplant gewesen, die Fassade mit Kupfer zu verkleiden. Aufgrund der enormen Preissteigerung bei Kupfer, schlagen die Architekten nun eine Beschichtung mit Aluminium vor. Nach der Einbindung aller Reduzierungsmöglichkeiten bleibt eine Summe von 15,76 Mio. Euro. “Mit dieser Variante ist die Realisierung einer hochwertigen, vollfunktionsfähigen Stadthalle möglich.”, so Jürgen Habermann.
Um dem Bürgerentscheid vom November 2016 zu entsprechen, müssten 50% der Baukostensummer durch Fördermittel gedeckt sein, danach gefragt antwortet Bürgermeister Jörg Gampe: “Wir werden versuchen, bei den beteiligten Ministerien in Potsdam Verständnis für diese Situation zu erlangen und haben den Antrag auf Erhöhung der Förderung zumindest formal erst einmal mit den jetzigen Kosten eingereicht. Bis vor wenigen Tagen hatten meine Kollegen und ich den Kenntnisstand, dass wir bei Baukosten von ca. 12 Mio. Euro liegen und insgesamt 9 Mio. Euro Fördermittel für die Gesamtfinanzierung eingeworben wurden. Dies war eine Förderquote von über 70%.”
Trotz der späten Information fühlen sich die Stadtverordneten Marlies Homagk und Udo Linde nach den detaillierten Ausführungen der Architekten und Fachplaner in ihrem Vertrauen in das Projekt Stadthalle gestärkt, man habe schließlich gewusst, dass die Baupreise überall ansteigen.
Manfred Schäfer stimmte dem zu und untermauerte die Aussage mit den Worten: “Wenn wir jetzt den Kopf in den Sand stecken und uns gegen die Stadthalle aussprechen, wäre das für uns eine kulturelle Katastrophe”. Die sprichwörtliche Gretchenfrage stellte er dennoch an Bürgermeister Jörg Gampe: “Beschäftigen Sie sich denn ernsthaft damit als Stadt, dass man möglicherweise 7-8 Mio. Euro Kredit für den Bau der Stadthalle aufnehmen kann oder sagen Sie jetzt schon: ‚Nein, das kriegen wir nicht hin?‘.” Bürgermeister Jörg Gampe antwortete: “Wir sind auch erschlagen von diesen Zahlen und ich muss ganz klar sagen: eine Umsetzung für 19 Mio. Euro wird es ohne weitere Fördergelder nicht geben. Das ist utopisch, das können wir uns nicht leisten. Wir haben versucht mit einer enormen Bürgerbeteiligung, angefangen 2011 mit den Arbeitsgruppen – unterstützt von den Fachleuten der DSK – und mit einem Architektenwettbewerb sowie mehrfachen öffentlichen Projektvorstellungen, alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Wir haben für die Stadthalle eine Motivation und eine Zustimmung erzeugen können, wie ich sie selten in Finsterwalde erlebt habe. Es ist uns gelungen, gemeinsam mit den Partnern im Stadt-Umland-Wettbewerb, die größte Summe Brandenburgs in den Elbe-Elster-Kreis zu holen und davon einen großen Packen nach Finsterwalde für das Projekt Stadthalle. Zusätzlich konnten wir Anfang des Jahres durch die Unterstützung von Michael Stübgen 1,1 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt für die landesseitig nicht förderfähigen Ausgaben einwerben. Bei 12 Mio. Euro kalkulierten Baukosten waren diese 1,1 Mio. Euro der innerliche Puffer für etwaige Preissteigerungen für mich. Wir wussten natürlich, dass es eine Preissteigerung geben würde und haben die Augen davor nicht verschlossen. Dass die Preisentwicklung aber so entstanden ist, wie wir sie heute hier gehört haben, bedaure ich außerordentlich und muss sagen, dass ich das in Teilen nicht nachvollziehen kann. Ich habe das Projekt immer gestützt und getragen, aber die Aufbruchsstimmung nach dem positiven Bürgerentscheid ist jetzt bei allen, denke ich, ein Stück weit der Ernüchterung gewichen. Dadurch, dass wir erst vor wenigen Tagen vom Architekturbüro über die neue Kalkulation informiert wurden, sind uns Handlungsoptionen verloren gegangen. Wir haben den Antrag auf Erhöhung der Förderung eingereicht, ja, wir werden in Potsdam darum kämpfen und darum ringen, weiteres Fördergeld einzuwerben. Aber wir müssen bei diesen vorgelegten Zahlen und bei den offenen Fragen auch realistisch bleiben. Wenn wir mit einem Baubeginn 2019 rechnen, mit den europaweiten Ausschreibungen, müssen wir aus meiner Sicht weitere 10-20 % Kostensteigerung einrechnen. Wenn man die errechneten 15,76 Mio. Euro als Grundlage nimmt, sind wir dann wieder bei mindestens 18 Mio. Euro. Wenn wir aber realistisch bleiben, dann müssen wir bereits jetzt mit diesen 18 Mio. Euro kalkulieren und dann laufen wir außerhalb unseres selbstgestellten Ziels der 50%-igen Kostendeckung durch Fördermittel. Und ja, man kann und ja, wir beschäftigen uns bereits damit, aber ich denke wir verlassen hier den Weg des Realismus, wenn wir 8 Mio. Euro finanzieren wollen. Ich halte es, wie viele hier, für absolut notwendig, dass Finsterwalde eine Veranstaltungshalle bekommt, aber das Projekt so, wie wir es jetzt vorgelegt bekommen haben, ist unrealistisch für uns. Ich kann das so nicht weiter vertreten, deswegen habe ich am 5. Juni, nachdem wir die Information über die neue Kostenrechnung erhalten haben, in Absprache mit meinen Fachkollegen, dem Architekturbüro mitteilen müssen, dass vorerst alle weiteren Planungen gestoppt werden. Wir werden sehen, wie die Gespräche in Potsdam in der kommenden Woche ausgehen und dann mögliche neue Optionen diskutieren. Im Moment muss ich ganz deutlich sagen: im November läuft die Bindungsfrist des Bürgerentscheids aus und zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das Projekt an diesem Standort als nicht mehr umsetzbar an. Aus meiner Sicht, der für die Stadt Verantwortung trägt und aus meiner Sicht auf die mögliche Finanzierung für die kommenden Haushalte und der wichtigen Aufgaben die trotzdem, parallel und gleichzeitig in der Stadt realisiert werden müssen, kann ich das Projekt nur weiterdenken, wenn wir es realistisch finanzieren können. Von diesem Weg sind wir im Moment, trotz der 9 Mio. Euro Fördermittel, abgekommen. Ich denke, wir müssen den Haushalt, die Menschen und die Stadt vor einem Projekt schützen, das dann ausufert. Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir es umsetzen könnten, aber die Zahlen sind so wie sie sind. Der Hinweis von Herrn Habermann, dass, wenn wir weitermachen sollten, dies möglichst schnell geschehen muss, ist richtig. Aber ich sehe die Realisierung des Projektes im Moment als nicht mehr möglich an.”
Die Beratung zu den Mehrbedarfen mit den Ministerien und der Investitionsbank des Landes Brandenburg findet voraussichtlich in der kommenden Woche in Potsdam statt.