Europäische Agrarpolitik: Klare Forderungen aus Ostdeutschland
Die Agrarministerinnen und -minister sowie die Bauernpräsidenten der ostdeutschen Länder waren sich bei ihrem Treffen am 13. Juni 2018 in Schkeuditz bei Leipzig einig: Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2020 entsprechen nicht ihren Erwartungen. Sie sind voll von Bürokratie, unkalkulierbar in den Details und teilweise unangemessen in ihren Festlegungen. Kritik üben die Teilnehmer des Treffens an den geplanten Kürzungen des EU-Agrarhaushalts sowie an der unzureichenden Neuorientierung. Gemeinsam soll in den Ländern eine moderne und weiterentwickelte Agrarpolitik vorangebracht werden, die sich an gesamtgesellschaftlichen Zielen orientiert und auch die Landwirte im Osten Deutschlands mitnimmt.
Die Verbraucher wünschen gesunde, regionale Produkte sowie eine nachhaltige und umweltschonende Landwirtschaft. Die Landwirte in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind bereit und in der Lage, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Allerdings dürfen die Betriebe dabei nicht in ihrem unternehmerischen Handeln und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden. Die positiven Effekte, welche mit Agrarumwelt-, Klima- oder Tierschutzmaßnahmen sowie mit Projekten zur ländlichen Entwicklung erreicht werden können, gehen sonst wieder verloren. Die Länder bekräftigen die im November 2017 gemeinsam formulierten Thesen, welche sie zuletzt im Januar am Rande der Internationalen Grünen Woche in Berlin mit den Präsidenten der ostdeutschen Bauernverbände diskutiert haben.
Diese Grundgedanken erweitern sie nun, in Kenntnis der Verordnungsentwürfe der EU-Kommission zur künftigen Agrarpolitik, um folgende Forderungen:
- Anspruchsvolle Förderziele können nur mit wirklicher regionaler Flexibilität erreicht werden. Der neu vorgesehene GAP-Strategieplan auf Bundesebene anstelle einzelner Pläne der jeweiligen Bundesländer widerspricht der föderalen Verfassung Deutschlands.
- Die im Vorfeld angekündigte deutliche Vereinfachung und bürokratische Entlastung wird mit dem vorliegenden Entwurf nicht ausreichend umgesetzt. Insbesondere ist der Ergebnis- und Leistungsbezug der Förderung unzureichend. Die Verordnungsvorschläge gehen hier noch nicht weit genug, auch wenn Ergebnisorientierung und das Single-Audit-Prinzip aufgegriffen wurden. Die Teilnehmer des Treffens sprechen sich erneut für die Übernahme aller Vorschläge aus Sachsen zu einem ELER-RESET aus.
- Für eine nachhaltige Landbewirtschaftung benötigen die Landwirte Planungssicherheit. Erwartungen, Anforderungen und Vorgaben von Seiten der Europäischen Kommission sind daher am Beginn der Förderperiode in den Verordnungstexten festzuschreiben. Ermächtigungen für nachträgliche Änderungen oder gar für rückwirkende Festlegungen wirken hier kontraproduktiv. Sie sind daher aus den Verordnungsvorschlägen zur Umsetzung der GAP zu streichen.
- Sollte es nicht zu einer Aufstockung der Beiträge der Mitgliedstaaten an die EU kommen, so sollen die dann in Deutschland eingesparten Bundesmittel zweckgebunden eingesetzt werden, zum Beispiel in der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK).
Die Länder bekräftigen darüber hinaus ihre Forderung, Kappung, Degression oder Umverteilung von Direktzahlungsmitteln nicht EU-weit verpflichtend vorzuschreiben und die Gelder in der jeweiligen Region zu belassen. Europa und insbesondere auch Deutschland zeichnen sich aus durch eine Vielfalt an Agrarstrukturen, die individuell betrachtet werden müssen. Eine Kappung der Direktzahlungen in Abhängigkeit von der Flächenausstattung der Landwirtschaftsunternehmen wird von den ostdeutschen Ländern abgelehnt. Der Mittelplafonds und die Entscheidung zu Degression oder erste Hektare müssen in den Bundesländern verbleiben. Im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftens im ländlichen Raum müssen die Regionen ausreichend Spielraum erhalten.
Die Vorschläge zur künftigen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik werden jetzt im Agrarrat und im Europäischen Parlament beraten, die Beschlussfassung wird bis Mai 2019 angestrebt. Die Agrarministerinnen und -minister sowie Bauernpräsidenten der ostdeutschen Länder werden gemeinsam bei den entsprechenden Gremien für ihre Positionen eintreten. Für spätestens Anfang 2019 wurde ein weiteres Treffen vereinbart.
14 Thesen zur gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020
Agrarministerinnen und Agrarminister der ostdeutschen Länder
Die Ausgaben für die europäische Agrarpolitik umfassen rd. 40% des EU-Haushalts. Durch den Brexit sowie zusätzliche Aufgaben der EU verstärkt sich der Druck auf den kommenden mehrjährigen Finanzrahmen und hier insbesondere auch auf den EU-Agrarhaushalt. Ziel muss es sein, den Finanzrahmen für die GAP in gleicher Höhe zu halten. Es gilt, die Finanzmittel für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum weiterhin zielgerichtet einzusetzen und gerecht zu verteilen. Die künftige GAP muss so ausgestaltet sein, dass ihr europäischer Mehrwert deutlich sichtbar und sie für die Gesellschaft als wichtiges, über die Landwirtschaft hinauswirkendes Förderinstrument wahrgenommen wird.
1. Die heimische Landwirtschaft ist nicht ersetzbar
Eine aktive Landwirtschaft vor Ort sichert die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln. Die Erzeugung regionaler Produkte dient dem Klimaschutz und stärkt das Vertrauen der Verbraucher in die Landwirtschaft. Sie sichert die Bewirtschaftung der Flächen und trägt so zur Pflege und zum Erhalt der Kulturlandschaft bei. Regional verankerte landwirtschaftliche Unternehmen prägen das Dorfleben mit und bieten berufliche Chancen in Form von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen.
2. Staatliche Verantwortung für den Erhalt einer regional verankerten Landwirtschaft
Zunehmende globale Herausforderungen gehen einher mit strukturellen Anpassungsprozessen. Veränderte Märkte, Auflagen zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen bezüglich Klimawandel und nachhaltiger Entwicklungen sowie hohe nationale Standards erhöhen den Wettbewerbsdruck auf die hiesige Landwirtschaft. Gleichzeitig steigen die Anforderungen und Erwartungen an die Landwirtschaft als „Dienstleister” für die Gesellschaft. Um die hohen Standards in Europa erfüllen zu können, brauchen die Unternehmen Unterstützung.
3. Differenzierte Stärkung der Ländlichen Räume fortsetzen
Die GAP nach 2020 muss weiter dazu beitragen, die Entwicklungspotenziale ländlicher Regionen zu nutzen, um sie auch im Zuge des demografischen Wandels als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume zu erhalten und zu stärken. Auch in der neuen Förderperiode
4. Öffentliches Geld für Öffentliche Leistungen
Ein Zwei-Säulen-Modell der GAP ermöglicht risikobezogene und umweltbezogene Zahlungen an die Landwirtschaft und ist für die Zeit nach 2020 zielorientiert zu entwickeln. In beiden Säulen gilt, dass landwirtschaftliche Unternehmen dafür Gelder erhalten, dass sie Leistungen für die Gesellschaft erbringen. Für das Verständnis der Bevölkerung ist es wichtig, die öffentlichen Leistungen der Landwirtschaft deutlicher sichtbar zu machen. Die Halbzeitberichte zur Wasserrahmenrichtlinie und zur EUBiodiversitätsstrategie zeigen übereinstimmend, dass die gesetzten Ziele in beiden Bereichen ohne wesentliche zusätzliche Anstrengungen vieler Akteure nicht realisiert werden können. Hierbei spielt die Landbewirtschaftung eine wichtige Rolle. Der bisherige Ansatz, zusätzliche betriebliche Aufwendungen für die Erbringung öffentlicher Leistungen auszugleichen, wird diesen Zielen derzeit nicht gerecht. Deshalb müssen diesbezüglich Anreizkomponenten entwickelt werden.
5. Die GAP als Instrument zur Einkommensstützung und Diversifizierung für die Landwirtschaft
Im Unterschied zu anderen Wirtschaftsbereichen sind die Einkommen der Beschäftigten in der Landwirtschaft auch in den ostdeutschen Ländern vergleichsweise niedrig und unterliegen starken jährlichen, zumeist schwer beinflussbaren markt- und witterungsbedingten Schwankungen. Die Direktzahlungen tragen dazu bei, den Betrieben die nötige Planungssicherheit und Stabilität zu geben. Vor dem Hintergrund, dass in den ostdeutschen Ländern im Unterschied zu vielen anderen Regionen in Europa sich der weit überwiegende Anteil der ca. 143.000 in der Landwirtschaft Beschäftigten Lohnarbeitskräfte sind, ist es wichtig, diese Arbeitsplätze in den strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland nicht zu gefährden.
6. Keine betriebsgrößenabhängigen Nachteile für nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe
Landwirtschaftsbetriebe, unabhängig von ihrer Betriebsform und -größe, sind bei ihrer Produktion auf jeden Hektar Landwirtschaftsfläche angewiesen und tragen mit jedem Hektar zur Arbeitsplatzsicherung und damit auch zur nachhaltigen Entwicklung in den ländlichen Räumen bei. Jeder Hektar ist letztlich gleich viel wert, es gibt keine betriebsgrößenabhängige Staffelung bei den Umweltleistungen. Eine Kappung der Direktzahlungen in Abhängigkeit von der Flächenausstattung der Landwirtschaftsunternehmen wird von den ostdeutschen Ländern abgelehnt. Der Mittelplafonds und die Entscheidung zu Degression oder erste Hektare müssen in den Bundesländern verbleiben.
7. Marktbedingungen für die Landwirtschaft verbessern
Zunehmende Markt- und Preisschwankungen gefährden die landwirtschaftlichen Unternehmen und den Wirtschaftszweig Landwirtschaft insgesamt. Die Unterstützung der Branche ist zu qualifizieren, indem Erzeuger in der Wertschöpfungskette gestärkt sowie freiwillige Instrumente zum Risikomanagement entwickelt werden und in Krisensituationen auf EU-Ebene schneller und flexibler reagiert wird. Ein Mindestmaß an Marktordnung ist beizubehalten.
8. Klima-, Tier-, Natur- und Umweltschutz liegen in der Mitverantwortung des landwirtschaftlichen Sektors
Die Weiterentwicklung einer guten fachlichen Praxis und die Verknüpfung der Agrarzahlungen mit der Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Klimaschutz, guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie Tierschutz muss in einer GAP nach 2020 fortbestehen. Kooperativer Umweltschutz, Agrarumweltmaßnahmen sowie innovative Projekte sollen über die Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum unterstützt werden. Hier besteht die Möglichkeit, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen und entsprechende Förderschwerpunkte zu setzen. Die GAP muss den Mitgliedstaaten und Regionen mehr Flexibilität überlassen, ihre Art der Landwirtschaft in einem einheitlichen Wettbewerbsrahmen zu unterstützen.
9. Modernisierung der Landwirtschaft und Vereinfachung der GAP
Um den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden und um den europäischen Mehrwert der GAP weiter zu steigern, sind stabile landwirtschaftliche Unternehmen notwendig. Ihre Leistungsfähigkeit darf nicht durch eine überbordende Bürokratie geschmälert werden. Bestehende Potenziale für Innovationen und Umsetzung neuester wissenschaftlicher/technischer Lösungen müssen in Landwirtschaft und Agrarverwaltung unterstützt und ausgebaut werden. Die flächendeckende Digitalisierung für die Landwirtschaft und die Ländlichen Räume ist unverzichtbar und muss auf europäischer Ebene deutlich stärker unterstützt werden.
10. Effiziente und ergebnisorientierte Förderverfahren (ELER-RESET)
Die europäische Förderpolitik für die ländlichen Räume soll die Ziele der EU für die ländliche Entwicklung wirksam stützen und zugleich den Mitgliedstaaten und Regionen einen möglichst großen, ausreichend dezentralen Gestaltungspielraum gewähren. Für die künftige Förderperiode ist deshalb eine grundlegende Überarbeitung aller ELER-Regelungen, insbesondere zum Verwaltungs- und Kontrollverfahren, zwingend erforderlich. Hierbei muss der Fokus auf den Erfolg der Europäischen Strategien und die zu erreichenden Ziele gerückt werden.
11. Regionale Flexibilität für die Umsetzung anspruchsvoller Förderziele
Insbesondere für die ländliche Entwicklung müssen die Regionen ihre Zuständigkeiten behalten, um ihre spezifischen Erfordernisse unbürokratisch umsetzen zu können. Dies gilt insbesondere auch für die Fondsbewirtschaftung, welche weiterhin als zweckgebundene Ländermaßnahme zu erfolgen hat. Eventuell umgeschichtete Mittel müssen entsprechend ihrem Aufkommen in den Ländern verbleiben. Der neu vorgesehene GAP-Strategieplan auf Bundesebene anstelle einzelner Entwicklungspläne der jeweiligen Bundesländer widerspricht der föderalen Verfassung Deutschlands. Eine damit zwangsläufig verbundene weitere Verwaltungsebene beim Bund zur Umsetzung der GAP parallel zu den schon bestehenden Verwaltungsstrukturen in den Ländern muss vermieden werden.
12. Neuorientierung der Förderpraxis notwendig
Die EU-Kommission hat angekündigt, die Art und Weise, wie die Agrarpolitik funktioniert, sowohl für die Landwirte als auch für die Mitgliedstaaten erheblich zu vereinfachen und zu modernisieren. Künftig sollen die Ergebnisse der Förderung im Vordergrund stehen und nicht die Einhaltung von Formalien. Die Verordnungsvorschläge gehen hier aber noch nicht weit genug, ein ELER-RESET muss in Gänze umgesetzt werden. Dafür muss die nötige Balance zwischen Kontrollkosten und Fehlerrisiko gewährleistet werden. Die Beschränkung der Prüfungsgegenstände auf EU-Recht muss in die Verordnungstexte aufgenommen werden.
13. Eindeutige legislative Regelungen ohne delegierte Rechtsakte
Für eine nachhaltige Landbewirtschaftung benötigen die Landwirte Planungssicherheit. Erwartungen, Anforderungen und Vorgaben von Seiten der EUKommission sind daher am Beginn der Förderperiode in den Verordnungstexten festzuschreiben. Ermächtigungen der EU-Kommission für nachträgliche Änderungen, Konkretisierungen oder gar für rückwirkende Festlegungen wirken hier kontraproduktiv. Sie sind daher aus den Verordnungsvorschlägen zur Umsetzung der GAP zu streichen.
14. Strukturpolitik braucht einen verlässlichen finanziellen Rahmen
Das Bekenntnis des Bundes, die Zahlungen an den EU-Haushalt entsprechend der Forderung der EU-Kommission zu erhöhen, wird begrüßt. Eine EU-weite Erhöhung in allen Mitgliedsstaaten ist unverzichtbar. Sollten die Mitgliedsstaaten sich nicht auf diese Erhöhung verständigen, so müssen die Mittel insbesondere für die Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) verwendet werden.
Quelle: SMUL – Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft